ze.tt Podcast: Über den Wolken

ze.tt Podcast: Über den Wolken

In diesem Podcast öffnen wir mit euch die Tür ins Cockpit

Über den Wolken – Wie begegnen Pilotinnen eigentlich Vorurteilen?

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Podcast „Über den Wolken“ von ze.tt und der European Flight Academy

Folge 1: Wie begegnen Pilotinnen eigentlich Vorurteilen?

Moderation:

  • Mae Becker

Protagonisten:

  • Leila Belaasri
  • Andrea Amberge

Skript:

Mae Becker: Wer schon einmal geflogen ist kennt das. Man sitzt im Flugzeug und rollt langsam in Richtung Startbahn. Kurz bleibt die Maschine stehen. Dann wird es laut: Turbogang. „Ready for take-off“ sagt der Kapitän und man zählt die Sekunden bis man abhebt. Die Schwerkraft drückt einen in den Sitz und einen Augenblick darauf fühlt man sich ganz schwerelos. Wenn man kurz darauf die Augen aufmacht und nach draußen blickt ist man schon da, wo man sein wollte: „Über den Wolken“.

Was hier oben so besonders ist, muss ich euch nicht erklären – mag es auf der Erde auch wie aus Eimern gießen, hier oben scheint immer die Sonne. Hier gibt es die atemberaubenden Ausblicke, hier sind wir für einen kurzen Augenblick allen Sorgen enthoben. 30.000 Fuß über dem Erdboden.

Hi, ich bin Mae und ich möchte euch in unserem neuen Podcast mit auf eine Reise nehmen. Ob New York, Tokio oder Los Angeles – die Welt steht uns offen. Zugegeben, einen Flug in die Karibik habe ich für euch nicht gebucht, aber dafür geht es in den nächsten vier Folgen hinter die Kulissen – und zwar ins sagenumwobene Cockpit. Nur einen kurzen Blick konnte ich bei meinem letzten Flug erhaschen, doch ich will wissen: Wer sind diese Menschen, die einen tonnenschweren Koloss in kilometerhohe Lüfte bewegen?

Für mich ist der Flug oft das größte Abenteuer an einer Reise, doch für Pilot*innen ist das purer Arbeitsalltag. Täglich gleiten sie tausende Kilometer durch Wolkendecken, manövrieren hunderte Menschen durch Wind und Wetter und bringen sie sicher ans Ziel. Habt ihr euch schon mal gefragt, was sie eigentlich die ganze Zeit im Cockpit machen? Warum haben sie sich für den Beruf entschieden und was sind die verrücktesten Geschichten, die sie erlebt haben? Und was sie nach der Ankunft am Zielort eigentlich als erstes essen?

Bei „Über den Wolken“ öffnen wir die magische Tür ins Cockpit und lernen Piloten, Pilot*innen und Fluglehrer der Lufthansa Group sowie die Flugschüler und Flugschülerinnen ihrer Flugschule, der European Flight Academy, kennen. Wir räumen mit Mythen auf und erfahren wie berauschend ein Berufsalltag außerhalb des Büros sein kann.

Für die erste Folge unseres Podcasts treffe ich mich mit Leila Belaasri und Andrea Amberge. Beide sind Pilotinnen bei der Lufthansa und bewegen täglich tonnenschwere Maschinen durch die Luft. Andrea war vor etwa 30 Jahren eine der ersten Frauen, die für die Lufthansa im Cockpit saßen. Seither ist sie alles möglich geflogen, Kurzstrecke, Mittelstrecke und auch Langstrecke. Seit 10 Jahren ist sie ist Kapitänin auf dem Airbus A 340 und schaut sich überall auf der Welt um. Leila steht mit 35 noch am Anfang ihrer Karriere. Sie fliegt seit 10 Jahren und ist derzeit auf der Kurzstrecke unterwegs.

Mich interessiert: Wie ist es als Frau in dieser noch immer sehr männlich dominierten Berufswelt? Wie gehen sie mit Vorurteilen im Job um? Was raten sie jungen Mädchen? Und ist die Karriere über den Wolken eigentlich mit dem Privatleben vereinbar?

Interview:

Mae Becker: Hallo ihr zwei.

Andrea Amberge: Hallo.

Leila Belaasri: Hallo.

Mae Becker: Andrea, du warst ja eine der ersten Frauen, die den Beruf der Pilotin ergriffen haben. Wie bist du damals denn zum Fliegen gekommen?

Andrea Amberge: Ja, es ist eigentlich eine sehr schöne Geschichte. Ich habe während meiner Schulzeit sehr viel gearbeitet und in dem einen Geschäft, das war ein Taxidienst, da hat ein Kollege gesagt „Ich hab gleich Schichtwechsel und ich fahre nach Hodenhagen.“ Das ist in Norddeutschland. Und da habe ich gesagt „Ja, was machst du denn da?“ – „Ja da gehe ich und mache meinen Flugschein. Ich treffe hier meinen Fluglehrer.“ Und da habe ich gesagt „Woa, das finde ich ja spannend, kannst du mich nicht mitnehmen? Meine Schicht ist gleich zu Ende.“ Und ja, er hat mich dann mitgenommen, wir zu diesem kleinen Flugplatz rausgefahren und dann stand ich da so und guckte mir alles an. Und dann kam ein Privatpilot vorbei und sagte zu mir: „Na Kleine, willst du mal mitfliegen?“ Und dann habe ich gedacht „Nee“, das habe ich mich nicht getraut und da sagte er „Doch, ich nehme dich jetzt mal mit. Komm.“ Dann haben wir zusammen das Flugzeug aus der Halle gezogen und da bin ich da mit eingestiegen, ist er losgeflogen und hat mir dann gesagt „Links fliegen“ und „Rechts fliegen“ und „große Kür“, also Nase nach unten und „kleine Kür“, Nase nach oben. Und dann hat er gesagt: „So, und jetzt mach du das auch mal“. Hab ich mich erst gar nicht so getraut und dann habe ich es dann doch probiert und kurz gesagt, nach diesem Flug wusste ich, was ich machen wollte: Ich wollte unbedingt fliegen. Das war so der Anfang für mich, ja.

Mae Becker: Leila, hast du eine ähnliche Geschichte zu erzählen oder war das ganz anders bei dir?

Leila Belaasri: Nicht ganz anders, ähnlich. Es ist ein Kindheitstraum, im zarten Alter von acht Jahren entwickelt, weil ich meinen Daddy, der damals sehr, sehr viel beruflich unterwegs war, hin und wieder begleiten durfte auf seinen Geschäftsreisen. Und da war es damals natürlich noch erlaubt, ins Cockpit zu gehen. Und dann hab ich halt so selbstbewusst wie ich damals schon war mit acht gefragt, ist es möglich, mal nach vorne zu torkeln? Das habe ich dann gemacht, mit großen Augen. Es war’n grundsätzlich Männer-Cockpits damals, natürlich da zugeschaut und Fragen gestellt und dann wieder zurück zu meinem Daddy und sagte: „Oh, das ist doch total spannend hier. Das wünsche ich mir auch.“ Und er hat dann nur reagiert mit den Worten: „Ja, warum denn eigentlich nicht? Natürlich, du kannst das probieren, wenn du das entsprechende Alter hast.“ Und in dem Alter habe ich den Wunsch entwickelt und daran festgehalten, eigentlich bis zu meinem Abitur. Und ich hab‘ während der Schulzeit die Möglichkeit genutzt, diverse Praktika zu machen, bei Lufthansa in der Werft, bei Aeoroloid in der Werft, und durfte diverse Strecken Erfahrungsflüge damals miterleben, weil ich halt einfach das Interesse betont hab, dass ich gerne ins Cockpit gehen würde und konnte so meinen Gesamteindruck eigentlich manifestieren bis zum Abitur. Und dann hab ich es versucht bei Lufthansa und es hat funktioniert damals in der Flugschule.

Mae Becker: Andrea, du warst ja eigentlich vorher im medizinischen Bereich tätig und hast dann dein Hobby zum Beruf gemacht. Warum war dir das ein Bedürfnis, warum war dir das damals so wichtig, als Quereinsteigerin jetzt nochmal komplett neu anzufangen?

Andrea Amberge: Fliegen hat was sehr Faszinierendes. Ich hab‘ ja dann vor meiner beruflichen Fliegerei bin ich halt privat geflogen und ich fand das schon immer sehr spannend, mit den kleinen Czesnas über Deutschland zu fliegen oder in Europa zu fliegen und Fliegen ist einfach ein Abenteuer und „Über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos“. Ja, und das war eigentlich der Grund, auch weiter da zu machen. Und irgendwann öffnete sich auch der Markt, dass man sagte, wow, jetzt können auch Frauen ins Cockpit gehen. Und ja, dann habe ich den Schritt gewagt, und habe gesagt: „Das versuche ich, das mach ich und ich will beruflich fliegen.“

Mae Becker: Das klingt ja ganz so, als wäre Fliegen absolut ein Leidenschaftsberuf für euch, oder? Also vermisst man das Fliegen eigentlich, wenn man länger nicht in der Luft ist?

Leila Belaasri: Ja. Also, klingt vielleicht in diversen Ohren, vielleicht auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Wir brauchen Regeneration, das ist schon wichtig. Also nach harten, langen Tagen freue ich mich auf Erholung, ich mache sehr viel Sport, aber, wenn man sehr lange frei hat, längere Zeit Urlaub hat, und ich lebe im Rhein-Main-Gebiet und man sieht den ein oder anderen Flieger dann mal im Anflug oder starten und hört das Geräusch, dann verzaubert das wieder, ne? Ich hab‘ das Funkeln von früher noch in den Augen und möchte wieder zurück in die Luft. Also, Standardsatz, den ich da immer wähle: „Die Luft braucht mich wieder“ oder „Ich muss wieder in die Luft, ich fühle mich am Boden nicht wohl.“ Das ist so meine Sehnsucht.

Mae Becker: Ist das bei dir auch so?

Andrea Amberge: Ja, das ist bei mir auch so. Also, wenn man mal länger Urlaub hat, das ist auch mal schön. Meist sind‘s ja auch Urlaubsreisen mit Flugzeug und dann ist man wieder am Flughafen und sieht die Flugzeuge und dann auch die Kollegen, die einen Heim fliegen, wenn man von der Rückreise ist und es begeistert mich immer noch.

Mae Becker: Es klingt ganz klar an, dass das für euch auf jeden Fall ein Leidenschaftsberuf ist und ich glaube ihr könntet beide vielleicht gar nichts anderes mehr machen, ne? Also ihr seid ja schon so drin. War das anfangs ein Thema, dass ihr als Frauen ins Cockpit wolltet eigentlich?

Leila Belaasri: Nicht wirklich. Also, wenn ich jetzt zurückblickend überlege, in meinem Abitursjahrgang damals war ich die einzige, also von ich glaube 180 Schülern und in Hessen, also ich hab‘ in Frankfurt mein Abitur gemacht, da sind einige Gymnasien in Nachbarschaft zueinander, war ich die einzige, die den Schritt gegangen ist und sich beworben hat. Aber ich hatte immer Support durch meine Lehrer, durch meine Familie, aber ich wusste, ja ich gehöre jetzt nicht zu einer Mehrheit, die diesen Weg wählen möchte. Aber ich habe positive Resonanz bekommen. Viele wussten es und andere haben mit Begeisterung reagiert: „Ach wirklich, du möchtest ins Cockpit?“ Das war oft die Reaktion, oftmals kam auch die Frage: „Ist das denn möglich?“ und „Mit welchen Hürden ist das verbunden?“ und „Wie funktioniert das eigentlich?“ Also große Neugierde, auf großes Interesse bin ich gestoßen, aber klar, ich gehörte jetzt nicht zu der Mehrheit. Viele meiner Mitschüler*innen haben andere Wege gewählt, in den wirtschaftlichen Bereich gegangen, Jura, Medizin studiert und ich hatte, um ehrlich zu sein, ich hatte einen Plan B, falls es nicht klappt. Aber das war nicht wirklich mit großer Leidenschaft verbunden. Ich hatte mir mit meinem Daddy diverse Wirtschafts-Unis angeguckt und bin immer mit geknicktem Haupt nach Hause gefahren und hab‘ gesagt: „Also, um ehrlich zu sein, möchte ich ins Cockpit.“ Ich hatte ein Stipendium nach meinem Abitur und hab darauf dann auch verzichtet. Ich hab‘ gesagt: „Nein, ich werde es bei Lufthansa versuchen den Weg.“ Das war damals der Weg, der sich mir angeboten hat über die Flugschule in Bremen zu gehen und wenn das nicht klappt, dann mache ich mir dann Gedanken, wenn’s soweit ist.

Mae Becker: Und Andrea, wie war das bei dir? War das ein Thema noch, dass du eine Frau warst?

Andrea Amberge: Ja, bei mir war das natürlich noch nicht so ganz selbstverständlich. Wenn ich daran denke als ich meinen Eltern erzählt habe, dass ich anfange zu fliegen, dann haben die erst gedacht: „Ohje, was hat sie sich denn jetzt für `ne Idee in den Kopf gesetzt?“ Und es gab da auch nicht so ganz viel Support wie bei dir Leila, ähm und ich ähm. Ja, ich war in vielen Bereichen da schon auch noch alleine unterwegs. Ich war im Fliegerclub die einzige Frau und dann in den verschiedenen fliegerischen Ausbildungen die einzige Frau oder auch dann im Lehrgang in Bremen in der Flugschule war ich auch die einzige Frau. Also man war da manchmal vielleicht schon ein bisschen alleine unterwegs, aber die Leidenschaft, also dieses „Ich will fliegen“, das war so groß, das hat einfach alles kompensiert.

Mae Becker: Und wie war das im Cockpit selbst, also unter Kollegen?

Andrea Amberge: Im Cockpit selber, die Arbeit im Cockpit ist ja ganz klar definiert. Also da gibt es den Kapitän und den Co-Piloten, die Co-Pilotin und da hat man schon mal `ne gute Basis. Das Miteinander im Cockpit ist auch sehr freundlich. Wir duzen uns gleich, ja? von daher, war das nicht immer das Problem. Der ein oder andere Kapitän hat mal geguckt: „Wie macht die das?“. Wenn ich so die erste Co-Pilotin war, war ja dann doch noch ein Novum, so vor dreißig Jahren. Aber wenn man dann gezeigt hat, dass man das genauso macht wie die männlichen Kollegen, war das auch alles okay.

Mae Becker: Man muss sich dann doch auf jeden Fall ein bisschen mehr beweisen wahrscheinlich?

Andrea Amberge: Ja, also diese Unsicherheiten. […] „Wie macht die das jetzt als Frau hier, wenn jetzt irgendwelche technischen Daten gerechnet werden müssen?“ Oder Simulatortraining: „Wie machen die das?“ Das war ja dann doch noch ganz was Neues zu sehen: „Können die Frauen das?“ Ja? Wenn man das aber einmal gezeigt hatte, dann war das auch okay.

Mae Becker: Ja, das Mindset ändert sich ja immer mehr, das haben wir ja grad schon gehört. Ähm, trotzdem liegt die Quote an Pilotinnen ja immer noch und leider auch schon seit Jahren bei unter 10 Prozent. Wie kann man denn mehr Frauen dafür begeistern, an die European Flight Academy zu gehen und den Beruf der Pilotin anzutreten?

Leila Belaasri: Indem man appelliert, erstmal an die Leidenschaft und das Herz, das dafür brennt. Also, wenn der Wille da ist und der Traum, das Fliegen zum Beruf zu machen einfach präsent ist und immer präsenter wird, ähm, alle möglichen Kanäle anzuzapfen, um diese möglichen, also das ist jetzt eine Vermutung meinerseits, diese Bedenken, die man vielleicht als Frau entwickelt, weil es nach wie vor eine Männerdomäne ist, zu beseitigen. Also aktiv nachfragen, also wir bei Lufthansa haben Ansprechpartner, man kann auch `ne E-Mail schreiben, einfach ins Blaue schreiben und mal nachfragen:: „Wie sieht das eigentlich aus? Wie läuft eure Ausbildung? Wie ist euer Berufsalltag? Sind meine Bedenken…“ – und dann die Bedenken ganz klar anführen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass das was man vielleicht an Bedenken und Ängsten entwickelt, zum Beispiel die Frage: „Komme ich mit der Technik zurecht? Lerne ich das Fliegen ausreichend schnell oder genauso schnell wie die Jungs das können?“ Dass all das aus dem Weg geräumt wird und dass ich der Meinung bin, ja, das ist eine herausfordernde Ausbildung. Es ist aber eine spannende und abwechslungsreiche Ausbildung. Wenn der Wille da ist, dann klappt das genauso gut wie in anderen Berufen, die, aus meiner Sicht, alles was interessant und spannend eine gewisse Herausforderung mit sich bringt, und das auch im Flieger leben. Und so würde ich an die Sache herangehen, dass man sich nicht frühzeitig Wind aus den Segeln nehmen lässt durch irgendwelche theoretischen Bedenken, sondern einfach proaktiv an die Sache herangeht und sagt: „Naja gut, okay, warum hab ich jetzt die Bedenken? Ist es vielleicht ein gesellschaftliches, traditionelles, Rollendenken? Woher kommt das eigentlich?“ Und so an die Sache herangehen. Das wäre so meine Empfehlung.

Andrea Amberge: Für mich hat es sich eigentlich so herausgestellt so in der Vergangenheit, wenn man den jungen Frauen gezeigt hat: „Hey, wir sind Leila und Andrea und wir sind genauso wie du und ich und wir haben es geschafft und wir können das“ war das immer wahnsinnig spannend. Die haben dann alle gesagt: „Wow, das kann ich mir jetzt auch vorstellen.“ Ich glaube, es liegt so ein bisschen daran, dass man einfach so kein Bild davon hat, ja, dass Frauen fliegen können, dass Frauen das schon so lange machen können, dass viele Dinge sich auch vereinbaren lassen. Und dieses einfach zu zeigen, das gibt es und dann vielleicht auch noch im persönlichen Kontakt dahinzukommen, dass man den Leuten das erklärt. Ich sehdas so im Freundeskreis oder die Tage rief meine Apothekerin an und sagt: „Du, die Mitarbeiterin, die Tochter möchte Pilotin werden, darf die dich mal anrufen?“ Und so kann man, glaub ich auch, Frauen nochmal so motivieren und erzählen wow, wie ist das, das geht gut und das können wir als Frauen auch machen. Und dann trauen sich auch mehr.

Mae Becker: Das heißt, ihr glaubt schon, dass man Vorbilder braucht?

Andrea Andrea: Ja, ich denke auf jeden Fall.

Mae Becker: Und seid ihr Vorbilder?

Leila Belaasri: Komplizierte Frage, sind wir Vorbilder? Also wir brennen für das, ich spreche jetzt mal für uns, für das was wir tun. Ich glaube wir repräsentieren die Leidenschaft Fliegen und wir repräsentieren das Bild – wir können Frau bleiben und diesen Beruf dennoch ausüben, weil wir da vorne auf Augenhöhe mit den männlichen Kollegen arbeiten und wir sind das, was wir sind. Wir sind authentisch und verstellen uns nicht. Ja, dafür stehe ich.

Andrea Andrea: Ich denke, wir sind auf jeden Fall Vorbilder. Ja, ganz bestimmt, ja.

Mae Becker: Gibt es bestimmte Fähigkeiten, die man als Pilotin braucht?

Andrea Amberge: Ja, ein bisschen mathematische, physikalische Kenntnisse. Was mir immer aufgefallen ist, was ganz wichtig ist Orientierung im Raum, also dieses Dreidimensionale. Wir sind ja nicht wie beim Autofahren zweidimensional unterwegs, sondern dreidimensional und da haben vielleicht die ein oder anderen einfach Probleme.

Und eine extrem hohe Belastbarkeit, weil wir machen viele Dinge gleichzeitig, wir hören viele Dinge gleichzeitig und das gut zu filtern, aufzunehmen, das ist auch nochmal eine Herausforderung.

Leila Belaasri: Ja, und Resilienz, also in meiner Pilotenausbildung ist nicht immer alles wunderbar und glatt gelaufen. Also nicht jeder Schulungsflug, sowohl in Phoenix als auch damals in Bremen lief fehlerfrei und perfekt. Und einfach zu sagen: „Na gut, das war jetzt nicht der tollste Anflug, den ich hier vollbracht habe oder die schönste Landung“ – wenn man im Rahmen von Landungen von schön sprechen kann – und trotzdem sagt: „Na gut, Haken dran, weitermachen.“ Also die Fähigkeit, die fliegerischen Fertigkeiten einfach weiter vertieft und stabilisiert und an sich glaubt, an die eigenen Fähigkeiten, das glaube ich, ist auch wichtig und das im kompletten Werdegang.

Mae Becker: Viele Frauen schrecken ja vielleicht auch davor zurück, weil sie annehmen, dass der Beruf nicht unbedingt mit der Familie vereinbar ist. Leila wie sieht da deine langfristige Planung aus? Hast du da Bedenken?

Leila Belaasri: Also ich hab` noch keine Kinder, aber ich habe es vor, eine Familie zu gründen und ich kenne eine Handvoll Kolleginnen persönlich und zwar sehr gut, die das ganz hervorragend vereinbaren. Also den Beruf der Pilotin, das Fliegen und ja, einfach das Projekt Familie miteinander zu kombinieren. Also, um mal ein Beispiel zu nennen, ist während der Schwangerschaft nicht erlaubt, fliegen zu gehen, weil man ist dann letztendlich gegroundet, kann aber nach einem Jahr, zwei Jahren, das darf dann jeder für sich selbst entscheiden, dann wieder ins Cockpit zurückkehren, an den Platz, den man bis zum Schluss ausgeführt hat, diese Rolle. Und dann bietet Lufthansa Teilzeitmodelle an, die man in Anspruch nehmen darf. Freunde von mir, beide Piloten, er Pilot, sie Pilotin, die sich das einfach so aufteilen, dass er einen Monat lang fliegen geht und sie geht einen Monat lang fliegen. Das heißt, es ist immer jemand zu Hause, der nun mal auf die Kinder aufpassen kann. Und da gibt es unzählige Modelle und das geht, wenn man das in Anspruch nehmen möchte. Von daher sollte das gar keine Hürde darstellen, nicht Pilotin zu werden, weil man Bedenken hat, man könnte, man müsste auf die Familiengründung verzichten.

Andrea Amberge: Man muss sich sicher ein bisschen organisieren. Wenn ich jetzt im Langstreckenbereich drei Tage weg bin oder mal vier Tage weg bin, dann muss ich das natürlich zu Hause organisiert haben, wenn die Kinder da bleiben, ja? Auf der anderen Seite gibt es diese Teilzeitmodelle und es ist für mich gut planbar, wenn mein Flug zu Ende ist, ist der zu Ende. Und ich gehnicht mitnem Projekt nach Hause, wo ich zu Hause weiterarbeiten muss. Ich finde das ist auch nochmal ein Vorteil, ja.

Mae Becker: Würdet ihr sagen, dass es im Pilotenberuf einen Unterschied macht, ob man eine Frau ist? Also im Positiven wie im Negativen gefragt. Gibt es irgendwas, wo ihr sagt, das können Frauen besser oder schlechter oder es macht jetzt einen besseren Piloten?

Andrea Amberge: Also ich denke, wir Frauen bringen ein bisschen mehr Empathie mit. Wir haben mit sehr vielen Menschen zu tun, wir haben mit der Crew zu tun, wir haben aber auch mit den ganzen Mitarbeitern, die ringsum das Flugzeug herum arbeiten, zu tun. Wir haben gegebenenfalls mit Passagieren zu tun und da können wir mit ein bisschen mehr Empathie aufwarten und vielleicht auch Situationen wo es einfach um, ich sag jetzt mal Missverständnisse geht oder sonst was, auf empathische Art und Weise regeln. Also ich denke das ist das, was wir auf jeden Fall mehr mitbringen.

Leila Belaasri: Ja, ich würde dem auch beipflichten, dass, wenn wir uns das Schulz-von-Thun-Modell angucken „Kommunikation auf vier Ebenen“, dass wir doch, wenn es drauf ankommt, auf der emotionalen Ebene, sprich, einfach sehr sensiblere Antennen haben in gewisser Hinsicht. Und, wenn man sich die Teamkonstellation bei uns anschaut, die Kabinenbesatzung ist oft mehrheitlich weiblich, dass in gewissen Situationen es unter Umständen für Kolleginnen der Weg ins Cockpit einfacher ist, sich einer Frau anzuvertrauen, vielleicht ein Anliegen zu schildern, das nicht unmittelbar sicherheitsrelevant ist, trotzdem sie als Mensch betrifft, als sich an einen Mann zu wenden. Aber das ist auch das einzige, das mir jetzt ad hoc einfällt, was uns jetzt besonders hervorhebt oder auszeichnet im Cockpit.

Mae Becker: Ansonsten macht ihr einfach denselben Job.

Andrea Amberge: Wir machen denselben Job.

Mae Becker: So zum Schluss würde ich gerne noch eine Schnellschussrunde mit euch machen. Ich stelle euch ein paar Fragen und ihr antwortet einfach das Erste, was euch in den Kopf kommt. Welches Ziel fliegt ihr am liebsten an?

Leila Belaasri: Barcelona

Andrea Amberge: Hongkong

Mae Becker: Und was esst ihr dort als aller Erstes?

Leila Belaasri: Tapas und Espresso.

Andrea Amberge: Asiatisch vegetarisch.

Mae Becker: Welches Wort assoziiert ihr mit dem Fliegen?

Leila Belaasri: Freiheit.

Andrea Amberge: Freiheit.

Mae Becker: Was war das Witzigste oder auch das Seltsamste was euch je auf einem Flug passiert ist?

Leila Belaasri: Ein Cockpit bestehend aus Frauen, also mit einer Kapitänin war ich unterwegs, und ein junges Mädchen mit zwei Zöpfchen wollte das Cockpit besichtigen und betrat das Cockpit, schaute uns beide an mit großen Augen und fragte: „Wo ist der Kapitän?“ Unsere Gegenfrage war: „Wie stellst du dir denn den Kapitän vor?“ Und dann hat sie, also wir beide waren der Ansicht, einen Weihnachtsmann beschrieben und hatte ein komplett falsches und anderes Bild. Das war, also, ein witziges Erlebnis. Also ich glaube, wir haben Nachwuchs damit generiert, also ich glaube, dass dieses Mädchen, was wahrscheinlich fünf Jahre alt gewesen ist, demnächst dann so in zehn Jahren bei uns im Cockpit auftaucht.

Mae Becker: Für dich?

Andrea Amberge: Bei mir ganz lustige Geschichte, beim Einsteigen hat ein Passagier ins Cockpit geschaut und hatte dann meine rot lackierten Fingernägel gesehen und während des Fluges kommt dann der Chef der Kabinencrew ins Cockpit, macht die Tür zu und musste furchtbar lachen. Und dann sage ich: „Was ist denn mit dir los?“ – „Ja, der Passagier auf 2c, der hat mich gerade festgehalten und hat gefragt, ob der Kapitän rot lackierte Fingernägel hat.“ Woraufhin der sagte: „Ja. Unsere Kapitänin hat rot lackierte Fingernägel.“ Das fand ich sehr witzig.

Mae Becker: Welches Lied verbindet ihr mit dem Fliegen? Oder welches Lied habt ihr als Ohrwurm im Ohr, wenn ihr im Cockpit sitzt?

Leila Belaasri: „Leila“, weil das ein Kapitän schon mal für mich gespielt hat. Von Eric Clapton, es geht nicht anders. Also er hat das ganz so herausragend, er hat dazu gesungen und hat, genau, sein Smartphone benutzt, um dann im Hintergrund den Song laufen zu lassen und das ist der Song, den ich damit verbinde.

Andrea Amberge: Für mich „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“.

Mae Becker: Was sind die atemberaubendsten Momente beim Fliegen?

Andrea Amberge: Fliegen in den Sonnenaufgang.

Leila Belaasri: Fliegen in den Sonnenuntergang.

Mae Becker: Und was sind die Momente, in denen ihr wisst, dass ihr den richtigen Beruf ergriffen habt?

Andrea Amberge: Genau diese Momente, fliegen in den Sonnenaufgang, den -untergang. Oder die Welt von oben zu sehen, Grönland zu sehen ohne Wolken. Die Gletscher, die Eisberge und das ist einfach traumhaft schön.

Leila Belaasri: Und die Tatsache, immer mit `nem Lächeln einzusteigen. Also mich auf meinen Beruf, meinen Job zu freuen, auf meinen Arbeitsplatz. Also dieser Gedanke: „Oh nein, ich muss jetzt schon wieder aufstehen und los“, den gibt es nicht, also ich freu mich darauf. Und das bestätigt mich eigentlich darin, dass ich die Entscheidung nie wieder anders treffen würde. Ich würde immer wieder ins Cockpit gehen.

Mae Becker: Sehr schöner Schlusssatz. Vielen Dank für das Gespräch.


Kommentare

by Betti on
Ich denke, die erwähnte Firma hieß Aero Lloyd..... ;)
by Castle Bravo on
Es ist schon irgendwie merkwürdig, dass man anscheinend vergisst, dass Frauen im Cockpit eigentlich von Anfang an gut vertreten waren: Melli Beese, Amelia Earhart oder Marie Marvingt, die als erster Mensch die Idee hatte, Flugzeuge als fliegende Ambulanzen zu nutzen, nur um ein paar Namen zu nennen.

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Täglich gleiten Piloten und Pilotinnen tausende Kilometer durch Wolkendecken, manövrieren hunderte Menschen durch Wind und Wetter und bringen sie sicher ans Ziel. Habt ihr euch schon mal gefragt, was sie eigentlich die ganze Zeit im Cockpit machen? Warum haben sie sich für den Beruf entschieden und was sind die verrücktesten Geschichten, die sie erlebt haben? Und was sie nach der Ankunft am Zielort eigentlich als erstes essen?

Beim Podcast „Über den Wolken“ öffnen wir die magische Tür ins Cockpit und lernen Piloten, Pilotinnen und Fluglehrer der Lufthansa Group sowie die Flugschüler und Flugschülerinnen ihrer Flugschule, der European Flight Academy, kennen. Wir räumen mit Mythen auf und erfahren wie berauschend ein Berufsalltag außerhalb des Büros sein kann.

von und mit ze.tt

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